Thursday, December 1, 2011

Christa Wolf

An obituary from Spiegel's English page. Weirdly, I'd just picked up Kassandra to reread after twenty years, and found it full of unexpected resonances with everything that's happened in the intervening period. The notion of the non-existent Helen was particularly striking, in that yellow-cake-uranium-from-Nigeria kinda way.


Wir haben ja dann alle den Anlaß für den Krieg vergessen. Nach der Krise im dritten Jahr hörten auch die Kriegsleute auf, den Anblick der schönen Helena zu fordern. Mehr Ausdauer, als ein Mensch aufbringen kann, hätte es gebraucht, immer weiter einen Namen im Munde zu führen, der immer mehr nach Asche schmeckte, nach Brand und Verwesung. Sie ließen von Helena ab und wehrten sich ihrer Haut. Um aber dem Krieg zujubeln zu können, hatten sie diesen Namen gebraucht. Er erhob sie über sich hinaus... Paris selbst war, widerwillig, schien es, auf den Marktplatz gekommen und hatte den Namen der schönen Helena dem Volke hingeworfen. Die Leute merkten nicht, das er nicht bei der Sache war. Ich merkte es. Warum sprichst du so kalt von deiner warmen Frau? hab ich ihn gefragt. Meine warme Frau? war seine höhnische Antwort. Komm zu dir, Schwester. Mensch: Es gibt sie nicht.
--Christa Wolf, Kassandra

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